DaVinci Resolve als Schnittprogramm für Langfilme – ein Erfahrungsbericht

Das Interface ist elegant, lässt sich aber nur geringfügig anpassen und individualisieren.

Als Editor:in ist es meiner Meinung nach wichtig, auf einer Vielzahl von Systemen zuhause zu sein – gerade heutzutage, wo es völlig unklar ist, welcher Softwarehersteller die sich anbahnende AI-Revolution am besten nutzen wird.

Bei Langfilmen war es bislang so, dass AVID-Mediacomposer mein altbewährtes Arbeitspferd war. Premiere nutzte ich für solche Projekte auch ab und zu. Mit DaVinci Resolve hatte ich hingegen noch keine Erfahrungen gemacht und setzte die Software bislang nur fürs Colorgrading oder zum Erstellen von Proxies ein.

Schon länger wollte ich deshalb herausfinden, ob DaVinci Resolve inzwischen eine brauchbare Alternative darstellt. Gerade auch weil DaVinci einige spannende Funktionen hat. Beim Dokumentarfilm «Lukas Bärfuss – Schriftsteller» wagte ich gemeinsam mit Regisseur und Produzent Laurin Merz das Experiment. Wir schnitten die 90 minütige Festivalfassung und die 52 minütige Fernsehfassung komplett in DaVinci. Hat es sich gelohnt? Teilweise. Nach anfänglicher Begeisterung folgten bald auch viele ernüchternde Momente. Und wir haben uns entschieden, den nächsten Film wieder auf AVID zu editieren. Trotzdem gibt es aber auch viele Seiten an DaVinci, die ich grossartig finde und die ich in anderen Schnittsystemen vermisse. Weil DaVinci regelmässig weiterentwickelt wird, wird es in Zukunft vermutlich wieder Projekte geben, die ich mit dieser Software schneiden werde

Im Folgenden möchte ich näher auf meine Erfahrungen eingehen. Gearbeitet haben wir mit der damals neuesten Version (18.6.6.) – inzwischen hat die Software bereits wieder einige Updates erhalten und einige meiner Kritikpunkte sind möglicherweise zumindest teilweise bereits überarbeitet worden.

Davinci Resolve – die Stärken

Das Beste an DaVinci sind meiner Meinung nach die «Keywords». Dicht gefolgt von «Duration Markers». Ich habe unzählige Stellen im Rohmaterial mit «Duration Markers» gekennzeichnet und diese Markers dann gleich mit thematischen «Keywords» versehen. Grossartig ist, dass Clipmarkers im Media Pool quasi als Subclips auftauchen und mittels «Smartbins» oder «Keywords» auffindbar sind. Leider gibt es keine Möglichkeit die Markers in Sequenzen ebenfalls durch «Keywords» oder «Smartbins» auffindbar zu machen – das ist schade.

Aber zurück zu den «Keywords»: Ich habe sie benutzt, um Clipausschnitte den wichtigen Themen des Films zuzuordnen. Wähle ich dann im Media Pool ein Keyword zur Anzeige aus (z.B. «Kindheit» oder «Mutter» oder «Religion»), werden mir quer durch das Projekt hindurch alle zugeordneten Markierungen angezeigt. Und da ich einem Marker beliebig viele Keywords zuordnen kann, ist diese Funktion wirklich grossartig und ist eine gute Ergänzung zu den Auswahlsequenzen, welche ich jeweils erstelle. Ähnlich mächtig sind auch die schon erwähnten Smartbins, welche sich mit einer Vielzahl von Bedingungen sehr genau einstellen lassen. So kann ich Smartbins z.B. nach einzelnen Wörtern in meinen Notizen suchen lassen. Oder ich kann mir einen Smartbin erstellen, der alle Multicam-Clips anzeigt oder alle Aufnahmen einer bestimmten Kamera. Zu meiner Arbeitsweise passt das perfekt.

  • Duration Markers im Mediapool. Die Markers erscheinen als eigene Clips, welche sich beliebig mit Keywords verschlagworten lassen.
    Duration Markers im Mediapool. Die Markers erscheinen als eigene Clips, welche sich beliebig mit Keywords verschlagworten lassen.

Transkripte

Die Interviews des Films liessen wir von DaVinci transkribieren. Obwohl in den Interviews fast nur auf Schweizerdeutsch (meist Berner Dialekt) gesprochen wurde, war die Transkription erstaunlich gut. Bei weitem nicht fehlerfrei, aber doch so gut, dass sie als Suchfunktion zum Auffinden von bestimmten Aussagen oder gar einzelnen Wörtern immer wieder Wunder wirkte. Leider gibt es keine globale Suchfunktion, welche alle Transkripte durchsucht. Unser Workaround war eine Riesensequenz, in die wir sämtliche Interviews platziert haben und die wir dann über Nacht transkribieren liessen. Das ist zwar unnötig kompliziert, funktionierte aber eigentlich ganz gut.
Leider werden die Transkript-Daten beim Schnitt in eine Sequenz nicht als Metadaten mitgezogen. Das ist schade, denn dadurch liessen sich am Ende theoretisch Dialoglisten oder gar Untertitel daraus erstellen. So muss aber das Transkript einer Sequenz bei jeder noch so kleinen Änderung neu erstellt werden.

Grundbedienung der Timeline

Nach einiger Umgewöhnung ging auch die Bedienung der Timeline von DaVinci gut von der Hand: der Trimmodus funktioniert meiner Meinung nach sehr gut und kommt fast an AVID heran, die Smarttools reagieren auch gut. Einzig die Überblendungen sind bei kleinen Spuren manchmal etwas zu winzig, um sie per Mausklick bequem anwählen zu können.

Stabilität

Herausragend ist der «Live save» von DaVinci, welcher jede Aktion gleich sichert: ich habe in der ganzen Schnittzeit kein einziges Mal auch nur den kleinsten Arbeitsschritt wegen einem Computerabsturz verloren.
Hingegen muss ich sagen, dass DaVinci immer wieder zwischendurch einfror oder die Benutzeroberfläche sich plötzlich merkwürdig verhielt. Mindestens einmal am Tag musste ich DaVinci beenden und neu starten. Der Computer selbst stürzte dabei jedoch nie ab.

Filehandling und Renderzeiten

Eine weitere grosse Stärke von DaVinci ist das stabile Metadatenhandling und die Fähigkeit unzählige Videocodecs verarbeiten zu können. Ebenfalls angenehm ist natürlich die Grading-Bedienoberfläche, falls der Film für Abnahmen hergerichtet werden soll. Und auch die schnellen Render- und Exportzeiten sind grossartig – DaVinci nutzt bei solchen Tasks die vorhandene Hardware sehr gut aus.

DaVinci Resolve – die Schwächen

Leider hat DaVinci auch einige Schwächen. Schwächen, die mir teilweise unbegreiflich sind und mir die Arbeit immer wieder erschwert haben.

Der Source Viewer

Das vermutlich grösste Ärgernis ist meiner Meinung nach der Source Viewer. Die Playbackperformance ist schlecht, es dauert häufig einige Sekunden, bis das Videomaterial im Source Viewer ruckelfrei und ohne Tonaussetzer abgespielt wird. Ebenfalls habe ich das Gefühl, dass der Source Viewer nicht auf verlinkte Proxies zugreift, sondern immer die Originalfiles abspielt, was bei hochauflösenden Videofiles natürlich ein Problem darstellt.
Zusätzlich werden immer sämtliche Tonspuren gleichzeitig abgespielt, es gibt keine Möglichkeit im Source Viewer eine einzelne Tonspur zu muten oder einzeln anzuhören. Bei Aufnahmen, die in lärmigen Umgebungen entstanden sind, ist das sehr mühsam. Wenn ich mir anhören wollte, ob jemand in der Nähe von einem bestimmten Schnittbild irgendwo auf seiner Tonspur etwas Interessantes sagt, konnte ich nicht einfach den Clip mit «Find Frame» im Source Viewer öffnen, sondern musste meine Auswahlsequenz im Timeline Viewer öffnen, damit ich die jeweilige Tonspur einzeln anhören konnte und mir dann mittels Copy & Paste den gewünschten Ausschnitt in meine Schnitt-Timeline einfügen. Das ist alles viel komplizierter als nötig.

Ich bin jemand, der sehr gerne sein Material in Sequenzen sortiert und markiert und dann aus diesen Materialsequenzen in die Schnitt-Timeline schneidet. Ich mag es, wenn ich im Rohmaterial herumfahren kann und dabei manchmal neue Zusammenhänge entdecke. DaVinci lässt mich Sequenzen in den Source Viewer laden und ich kann sogar per Knopfdruck sogar zwischen der Timeline im Source Viewer und derjenigen im Record Viewer wechseln – ganz ähnlich, wie in AVID. Leider gibt es aber keine Möglichkeit, die Ton- und Videospuren beim Schnitt von Timeline zu Timeline exakt zu routen. Entweder schneide ich die Timeline als «Compound Clip» rein oder ich aktiviere die Einstellung «Decompose Compound Clips on Edit». Dann kann ich alle oder keine Tonspuren/Videospuren der Source-Timeline reinschneiden. Aber ich kann nicht eine einzelne, bestimmte Tonspur/Videospur auswählen und auf eine Zielspur routen (z.B. nur V2 und A3). Das ist unverständlich. Und so bleibt einem nur der von Premiere bekannte Workflow mit zwei übereinander geöffneten Sequenzen, wo per Drag und Drop die Clips dann an die richtige Stelle geschoben werden. DaVinci hat sogar extra einen Button oberhalb der Timeline, um schnell zwei oder mehr Timelines übereinander anordnen zu können. Das ist zwar komfortabel, aber bei Timelines mit vielen Tonspuren wird es dann schnell unübersichtlich, weil der Platz auf dem Bildschirm beschränkt ist.

Benutzeroberfläche anpassen

Ein weiterer grosser Kritikpunkt ist die Anpassbarkeit der Benutzeroberfläche. Ich finde zwar, dass die Benutzeroberfläche grundsätzlich gelungen ist: sie ist übersichtlich, zusätzliche Schaltflächen lassen sich bei Bedarf sinnvoll einblenden und vergrössern. Aber tiefgreifendere Anpassungen sind nicht möglich. Es gibt keine Buttons, die ich selber belegen kann. Keine selbstkonfigurierbaren Voreinstellungen für verschiedene Window-Layouts oder Timeline-Ansichten, wo z.B. bestimmte Audiospuren gross sind und andere klein. Ich kann also nicht zwischen bestimmten Ansichten für Tonschnitt und Bildschnitt hin- und herspringen. Jedesmal muss ich die Spurgrössen manuell für meine Zwecke neu einstellen.
Im Mediapool kann ich mir zwar verschiedene Voreinstellungen für die Anzeige der Metadatenspalten machen, doch damit hat es sich bereits. Allerdings stören diese mangelnden Anpassungsmöglichkeiten im Mediapool weniger, da Smartbins und Keywords vieles wett machen.

Ebenfalls vermisst habe ich die Möglichkeit die Anzeigegrösse der Audio-Waveform auf einzelnen Tonspuren manuell zu verändern. Auf der Fairlight-Page ist dies möglich, der Edit-Page fehlt dieses Feature hingegen. Ich selbst nutze diese Funktion in AVID gerade beim Schneiden von Musik häufig und finde es schade, dass DaVinci diese Funktion auf der Edit-Page nicht bietet, obwohl sie ja innerhalb der Fairlight-Sektion ins Programm integriert ist.

  • Das Interface ist elegant, lässt sich aber nur geringfügig anpassen und individualisieren.
    Das Interface ist elegant, lässt sich aber nur geringfügig anpassen und individualisieren.

Multicamclips

Der Schnitt mit Multicam-Clips funktionierte grundsätzlich problemlos. Und wir hatten unzählige davon: Interviews, die mit zwei Kameras gedreht wurden, Theaterproben und Aufführungen mit zwei bis vier Kameras. Alles ging gut, bis ich am Ende den Befehl «flatten Mutlicam Clip» verwendete, damit die Übergabe an Tonstudio und Grading auch wirklich reibungslos funktioniert. Hier zeigte sich einmal mehr, dass DaVinci nicht auf die gängigen Workflows ausgerichtet ist: Sämtliche Effekte, Resizes etc. verschwinden nämlich einfach, sobald der Befehl «Flatten Mutlicam Clip» ausgewählt wird. Es gibt keine Auswahlmöglichkeit, die einen die Effekte beibehalten lässt. Das bedeutete für mich unnötige Mehrarbeit, da ich sämtliche Resizes etc. manuell nochmals per Copy & Paste übertragen musste.

Zum Glück funktionierte ansonsten die Weitergabe ans Tonstudio per AAF dann problemlos. Und der Transfer zum Colorgrading war dann sowieso ein Kinderspiel, da auf DaVinci gegradet wurde.

Performance

Die Performance bei längeren Schnittsequenzen (über 60 min) ist bei DaVinci leider ernüchternd. Wird am Anfang der Sequenz die Länge eines Clips geändert, legt die Software regelmässig Denkpausen ein. Das Duplizieren einer komplexen Sequenz mit vielen Tonspuren dauert sehr lange. Und auch das Hin- und Herspulen in der Timeline ist etwas träge.
Erstaunlicherweise kommt AVID mit langen, komplexen Sequenzen viel besser klar, das Playback ist meist tight und auch der Trimmmodus funktioniert dabei meist einwandfrei und ohne Verzögerungen. Ich vermute, dass die Playbackenginge von DaVinci primär auf die Wiedergabe beim Colorgrading optimiert ist, wo es weniger mühsam ist, wenn das Gerät nicht sofort reagiert.

Fazit

DaVinci bietet viele interessante Funktionen, gerade Keywords und Smartbins würde ich sehr gerne in ähnlicher Form auch in AVID oder Premiere sehen. Ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass Grading und sogar die Tonmischung ebenfalls in DaVinci vorgenommen werden können. Dieses all-in-one Konzept hat eigentlich Potential – wenn denn die einzelnen Komponenten genügend ausgereift wären. Aber momentan genügt die Edit-Page nur den Anforderungen für Kurzfilme, Werbespots oder Social Media Content. Für Langfilme ist AVID und in geringerem Masse auch Premiere nach wie vor besser geeignet. Vermutlich richtet Blackmagic auch ganz bewusst DaVinci mehr auf die Bedürfnisse der Content Creators aus, da diese den grösseren Markt bilden, als die professionellen Film- und TV-Schaffenden.

Doch es lohnt sich trotzdem, die Weiterentwicklungen von DaVinci genau im Auge zu behalten. Denn eben: Keywords und Smartbins sind wirklich eine grossartige Sache.